Barbara Dribbusch

Journalistin & Autorin

Arbeiterkinder steigen seltener auf | TAZ 11.10.2011

Der Datenreport 2011 zeigt: Geschlechterbilder sind immer noch traditionell. Soziale Herkunft spielt im Westen eine abnehmende, im Osten eine zunehmende Rolle

Die jüngste Gesetzgebung sieht zwar vor, dass Frauen selbstverantworlich ihr Geld verdienen sollen, die Einstellungen aber hinken dieser Vorgabe hinterher: Immerhin noch 56 Prozent der Bevölkerung im Westen Deutschlands (Osten: 24 Prozent) ist der Meinung, dass ein Kleinkind „sicherlich“ darunter leide, wenn seine Mutter berufstätig ist. Dies ergibt sich aus dem „Datenreport 2011“, den das Statistische Bundesamt zusammen mit dem Wissenschaftszentrum WZB und anderen Institutionen am Dienstag vorgelegt hat.

Der Datensammlung zufolge nehmen die traditionellen Rollenvorstellungen zwar ab, sie unterscheiden sich aber immer noch deutlich zwischen Ost und West. Im Jahre 1976 hatten im Westen noch 76 Prozent der Bevölkerung (Osten: 58 Prozent) der Aussage zugestimmt, dass ein Kleinkind unter der Berufstätigkeit der Mutter leide.

Im Datenreport finden sich auch Erhebungen zur sozialen Mobilität und da zeigt sich ein differenziertes Bild. Die Langzeitbetrachtung von 1976 bis 2010 ergebe „für westdeutsche Männer einen klaren kontinuierlichen Trend hin zu einem abnehmendem Einfluss der sozialen Herkunft auf die eigene Klassenposition“ heißt es in dem Report.

Die Verläufe sind aber je nach Schicht unterschiedlich: Von den ungelernten Arbeitern im Westen „erbten“ im vergangenen Jahrzehnt immerhin 30 Prozent der Söhne die gleiche Position wie der Vater, in den 90er Jahren waren dies nur 24 Prozent gewesen. Im Osten behielten im Jahrzehnt nach der Wende nur 18 Prozent der Söhne aus der Klasse der ungelernten Arbeiter- und Angestellten die gleiche Position, dieser Beharrungseffekt war ein Jahrzehnt später auf 29 Prozent angewachsen. Bei den Töchtern von Vätern der untersten Gruppe schaffen sowohl im Westen als auch im Osten noch weniger als die Männer den Aufstieg nach oben.

Bei den leitenden Angestellten, Freiberuflern und auch bei den Facharbeitern und Meistern landet der Nachwuchs zunehmend in einer anderen Schicht als die Vätergeneration- aber nicht unbedingt in einer höheren. Der Datenreport stellt im Vergleich zu früher einen Trend zu „mehr Abstiegen“ fest. Bei den Töchtern aus der obersten Schicht ist allerdings der „Beharrungseffekt“ gestiegen, ihnen gelingt es also zunehmend, die Position des Vaters auch für sich zu halten.

Im Osten spielt die Herkunft keine so große Rolle wie in den alten Bundesländern, doch „es kommt zu einer Annäherung an das Westniveau“, heißt es im Report. Insgesamt ist in Deutschland im Zeitverlauf der Anteil der Personen, die eine Erfahrung von Armut machten, gestiegen. Die Gesellschaft wird also durchlässiger- aber eben auch nach unten.