GESELLSCHAFT Beim Servicewohnen wollen alte Menschen in einer Gemeinschaft leben, bei zunehmender Gebrechlichkeit versorgt sein oder wie im Luxushotel schwelgen. Für die meisten Senior:innen fehlt altengerechter und vor allem bezahlbarer Wohnraum
Es gibt Frühlingstage wie diesen, da verliert das hohe Alter seinen Schrecken. Die Sonne scheint, auf dem Balkon blüht es lila und gelb, unten im Garten sonnen sich die Mitbewohner:innen. „Ich fühle mich hier geborgen“, sagt Christa Fuchs, 91 Jahre alt, „man grüßt sich, man ist nicht so allein“. Fuchs, den rot-weißen Seidenschal sorgfältig umgebunden, sitzt in ihrer Einzimmerwohnung im fünften Stock des Seniorenzentrums Kardinal Bengsch in Berlin. Der Blick nach draußen reicht weit in den Himmel. „Es war ein Glücksfall“, sagt Fuchs, „dass ich das Haus hier vor vielen Jahren gefunden habe“.
„Servicewohnen“, auch Betreutes Wohnen genannt, bietet das Seniorenzentrum der Caritas an. Dabei wohnt man zur Miete in einem barrierearmen Haus mit Aufzug und bucht diverse Angebote, auch Pflegeleistungen, dazu. Jüngere Außenstehende mögen den Gebäudekomplex aus den 80er Jahren mit den Bewohner:innen, von denen sich viele mit Stock, Rollator oder im Rollstuhl bewegen, vielleicht als „Altenghetto“ empfinden. Aber für die Bewohner:innen hier ist der Mietvertrag wie ein Sechser im Lotto. „Wir werden überrannt von Bewerberinnen“, erzählt Christine Nawrath, die agile Seniorenberaterin in dem Caritas-Haus. Man könne die Interessent:innen nicht mal auf eine Warteliste vertrösten, sondern müsse auswählen, so stark sei der Andrang.
Im Caritas-Haus, das direkt an der Spree liegt, kostet eine 43-Quadratmeter-Wohnung mit Schlafnische und abgetrennter Küche warm rund 690 Euro im Monat, inklusive einer Service-Pauschale von 105 Euro für die Angebote an Gruppenaktivitäten und Beratungssprechstunden, aber ohne Mahlzeiten. Damit gehört das Haus zu den günstigen im Bereich des Servicewohnens, und das in einer Metropole wie Berlin.
Servicewohnen ist ein boomender Markt, rund 300.000 Plätze gebe es schätzungsweise in Deutschland, aber der Bedarf sei viel höher, so der „Pflegeheim Rating Report 2022“. Dazu zählen Einzimmerappartements in altersgerechten Seniorenwohnhäusern ebenso wie Dreizimmerwohnungen in hotelähnlichen Residenzen. „Wir raten den Leuten, sich genau anzuschauen, welche Leistungen sie für welche Kosten bekommen“, sagt David Kröll, Sprecher des Patientenschutzbundes Biva, „manche Menschen haben falsche Vorstellungen davon, was betreutes Wohnen ist. Die denken, dass sie da gewissermaßen an die Hand genommen werden.“ Die Serviceleistungen schließen aber keine pflegerische Betreuung ein. Die Versorgung durch einen ambulanten Pflegedienst muss vielmehr im Bedarfsfall hinzu gebucht werden, dann werden gegebenenfalls auch Eigenanteile fällig.
Die alte Wohnung hatte keinen Aufzug
Fuchs wohnt schon seit 26 Jahren im Caritas-Seniorenwohnhaus. Davor lebte sie alleine, sie hat keine Kinder. „Ich war selbstständig, Bandagenmeisterin“, erzählt sie, „heute nennt man das Orthopädiemechanikerin. Meine Wohnung lag in einem Altbau, Kohleheizung, vier Treppen ohne Aufzug“. Im hohen Alter konnte sie da nicht bleiben, so kam sie her. Zweimal in der Woche hilft ihr jemand vom ambulanten Pflegedienst beim Duschen. Es gibt Gemeinschaft im Haus, aber man dürfe nicht zu viel erwarten.
„Eine Nachbarin bringt mir jeden Tag die Post hoch“, berichtet Fuchs, „und eine Nachbarin hat mir Blumen abgeholt, die ich für eine Beerdigung bestellt habe“. Bei Gemeinschaftsfeiern kommt sie und hilft bei den Vorbereitungen, so gut sie kann. Sie geht am Rollator oder kurvt mit dem Elektrorollstuhl durch die Gänge. Hat sie in all den Jahren Freundinnen im Haus gefunden? Hm, sie würde es „Freundschaften“ nennen, sagt sie vorsichtig. Die feingetunte Balance zwischen Nähe und Distanz ist entscheidend in einem Haus mit hochbetagten Bewohner:innen, meist alleinstehenden Frauen, die alle ihre Eigenheiten haben.
Im Haus haben 30 bis 40 Prozent der Bewohner:innen einen Pflegegrad, erzählt die Seniorenberaterin Nawrath. Wer einen Pflegegrad hat, kann Leistungen von der Pflegekasse etwa für ambulante Pflege beanspruchen, was sich aber auf die Wohnkosten nicht auswirkt. In der Regel kommen die Leute in jüngeren Jahren ohne Pflegegrad ins Haus und werden dann mit den Jahren gebrechlicher.
Das Eintrittsalter liege bei Mitte 70, das Durchschnittsalter bei über 80 Jahren, „ein Mix ist gut“, sagt Nawrath. Jüngeren, noch etwas fitteren Menschen fällt es in der Regel leichter, an Gemeinschaftsaktivitäten teilzunehmen und Kontakte herzustellen. Daher belebt eine Altersmischung, will man nicht eine Einrichtung haben, in der zumeist hochgebrechliche Bewohner:innen isoliert auf ihren Zimmern sitzen und nur noch auf den nächsten Besuch des Pflegedienstes warten. Unter den vielen Bewerberinnen und Bewerbern könne man ein bisschen auswählen und darauf achten, dass man jene nimmt, die auch Interesse an Gemeinschaftsaktivitäten haben, schildert Nawrath.
Ein umfangreiches Angebot an Aktivitäten
Betreuerinnen, Ehrenamtliche und Bewohner:innen bieten im Haus Seniorenyoga, Kraft- und Balancetraining, Seniorentänze, ein Erzählcafé, Technik-Sprechstunden, Bingo- und Doppelkopfrunden an. Im Gedenkgottesdienst hält man Andachten für Verstorbene. Zweimal wöchentlich promenieren die Spaziergruppen an der Spree entlang.
Um bei den Angeboten noch mitmachen zu können, „sollte man nicht zu spät in das betreute Wohnen ziehen“, sagt Anita Seidel. Die 72-Jährige bewohnt ein Apartment im Erdgeschoss des Hauses. Seidel zog nach dem Tod ihres Mannes vor vier Jahren hier ein. Ihre Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in Berlin-Zehlendorf im dritten Stock war ihr zu groß geworden, es gab keinen Aufzug, sie wollte auch näher bei ihrer Tochter sein. „Ich habe meiner alten Wohnung keine Träne nachgeweint“, sagt Seidel. Hier im Seniorenzentrum spielt Seidel Bingo, sie geht bei der Gruppe der „Morgenspaziergänger“ mit und macht Yoga. Das Gefühl, zu einer Gemeinschaft zu gehören, hat auch sie. „Wir passen ein bisschen aufeinander auf“, sagt Seidel.
Im Caritas-Wohnhaus führt die Leitung eine Art Sicherungsliste. Jede Bewohnerin und jeder Bewohner seien dort namentlich aufgeführt, erklärt Nawrath. Hat eine Mitarbeiterin im Haus die Bewohnerin an einem Tag gesehen, macht sie ein Kürzel auf der Liste. Wenn zehn Tage hintereinander kein Kürzel hinter dem Namen steht, schaut jemand nach. Für den Fall der Fälle „haben wir einen Generalschlüssel“, berichtet Nawrath. Dazu haben viele einen externen Hausnotruf dazu gebucht, für etwa 25 Euro Grundgebühr. Ein Funkgerät in der Wohnung ist mit einem Knopf verbunden, den man immer am Körper trägt. Wird der Notruf ausgelöst, meldet sich eine rund um die Uhr besetzte Zentrale. Man kann auch eine tägliche „Aktivitätstaste“ dazu buchen, eine Art Lebendigkeitsnachweis. Wird die Taste nicht täglich einmal gedrückt, schaut jemand vorbei.
Ein Pflegeheim ist angeschlossen
Dass eine Bewohnerin länger tot in der Wohnung liegt, ohne dass jemand was merkt, wäre der Gau für jedes Seniorenwohnhaus. „Man zieht auch zur Vorsorge hier ein“, erklärt Seidel. Wer weiß, was die Zukunft bringt. Einmal irrte eine Bewohner:in plötzlich im Garten umher und fand nicht mehr zurück in ihre Wohnung, erzählt Nawrath. Eine Dame saß einmal nackt im Garten. Manche klingeln irgendwo in einer anderen Wohnung, wenn sie verwirrt sind. Wenn das ein paar Mal passiert, „dann kann man helfen, die Menschen zu ihrer Wohnung zurückzubringen“, sagt Nawrath, „wenn das aber zum Dauerzustand wird, können die Bewohnerinnen nicht mehr alleine bleiben“. Dann reicht auch der ambulante Pflegedienst nicht mehr aus und die Bewohner:innen ziehen um, zum Beispiel in die stationäre Pflegestation im selben Gebäudekomplex.
Das Seniorenzentrum verfügt insgesamt über 150 Wohnungen, 64 Plätze in der Pflegestation, eine Demenz-WG und eine Tagespflege-Einrichtung. Wer aus dem Servicewohnen kommt, wird bei der Platzvergabe im Pflegeheim vorrangig berücksichtigt. Wobei man aber auf Abgrenzung achtet: Der Eingang zum Servicewohnen mit den vielen Briefkästen und Namen an der Tür liegt separat vom Pflegeheim. Das ist die heikle Balance des Servicewohnens, die noch viel mehr in den teuren Altenresidenzen gefunden werden muss: Man will ein Haus der Lebensfreude, womöglich sogar des Luxus sein, und gleichzeitig muss das Haus Versorgung und Sicherheit bei Gebrechlichkeit bieten. Man kann den körperlichen und womöglich auch geistigen Abbau nicht verdrängen wie in einem Urlaubshotel.
Teure Residenzen sind hotelähnlich
„Wer in eine Premium-Residenz einzieht, will sich damit auch Sicherheit kaufen“, sagt Thomas Neureuter, Gründer des Verbandes „Premium-Residenzen“ und Herausgeber eines Kataloges, in dem 29 dieser Häuser im Stil von Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels aufgeführt sind. Die Preise fangen für Einzimmer-Apartments mit Küche und Bad bei etwa 1.500 bis 2.000 Euro monatlich an. Für eine 62 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung in der „Villa Sibilla“ im Ahrtal werden bei Einzelbelegung 4.000 Euro im Monat fällig, Pool-Benutzung und diverse Serviceleistungen sind inkludiert. Ambulante Pflege muss auch in diesen Häusern bei Bedarf dazu gebucht werden.
Auf Werbefotos sieht man distinguierte grauhaarige Herren mit jüngeren, grauhaarigen Damen, die sich im Restaurant zuprosten und nicht so wirken, als hätten sie irgendeine Versorgung nötig. In der Realität zeigt sich dann, dass auch dort zumeist Hochaltrige leben. Die meisten Residenzen verfügen über Bereiche mit stationärer Pflege, in die man bei Bedarf umziehen kann. Das Durchschnittsalter liege auch hier um die 80 Jahre, 75 Prozent der Bewohner:innen seien Frauen, ein großer Teil davon alleinstehend, viele verwitwet, sagt Neureuter, „es ziehen aber auch zunehmend Paare ein“. Viele der Bewohner:innen seien „Menschen, denen im Alter das Haus zu groß geworden ist. Sie verkaufen dann die Immobilie und von dem Geld und den Altersbezügen kann man fünf, zehn Jahre in der Residenz leben.“
Die Werbung soll das wohlhabende Bildungsbürgertum ansprechen, das merkt man auch an den Katalogtexten. Zum Tertianum in Berlin ist von der Brasserie mit „Sternekoch“ und „modern interpretierter französischer Küche“ die Rede. Zum Kulturprogramm der Parkresidenz Alstertal in Hamburg mit eigenem „Amphitheater“ heißt es: „Neben dem Klassiker-Schauspiel kommt auch das Hamburger Volksstück zu seinem Recht, auf ein Konzert mit Kammermusik folgt ein Abend mit Jazz Standards. Das kulturelle Angebot findet seine Fortsetzung in einem umfangreichen Programm mit Konversations- und Gesprächskreisen, mit Vernissagen, Modenschauen, Ausflügen.“
Immobilie wird im Alter verkauft
Nur eine der Premium-Residenzen aus dem Katalog liegt in den neuen Bundesländern, in Zeuthen in der Nähe Berlins. Die Kaufkraft in der Region spielt eine große Rolle für die Investoren. Doch die Residenzen sind nicht nur etwas für die Oberschicht, auch die Mittelschicht hat Vermögen und Immobilien. Silke Hummer, 80, ist vor zwei Monaten in die Luisen-Residenz in Zeuthen gezogen und hier „sehr happy“, wie sie sagt. Hummer, früher Turnlehrerin an einer Oberschule, schlank und mit sportlichem Kurzhaarschnitt, hat ihren Mann drei Jahre lang gepflegt. Nach seinem Tode wurde ihr das Haus in Mahlow zu groß. Der Gedanke, dass ihre erwachsenen Kinder einmal für ihre Pflege zuständig sein sollten, war ihr nach der langen Pflegezeit ihres Mannes ein Graus. „Ich dachte mir: Ich brauche etwas, wo die Kinder entlastet sind“, erzählt Hummer, die in Wirklichkeit anders heißt aber nicht mit ihrem richtigen Namen in der Zeitung stehen will.
Ihr Traum sei schon immer gewesen, direkt am Wasser zu leben. „Mein Mann und ich, wir sind gerne und viel gerudert“, erzählt die Brandenburgerin. Das Haus mit 76 Ein- bis Drei-Zimmer-Wohnungen direkt am See war ein früheres Seehotel, das der privaten „Land Union Gruppe“ gehört und nach dem Umbau seit Jahresbeginn als Senioren-Residenz vom Evangelischen Diakonissenhaus Berlin Teltow Lehnin betrieben wird.
„Der Blick ist eine Wucht“, sagt Hummer und öffnet die Tür zu ihrer 47 Quadratmeter großen Zwei-Zimmer-Wohnung mit dem kleinen Balkon. Man schaut weit über den Zeuthener See hinaus und fühlt sich wie in einer geräumigen Ferienwohnung. Einige Möbel aus ihrem alten Haus hat Hummer mitgebracht. Im Wohnzimmer steht ein Tisch mit kunstvoll geschnitzten Beinen und Marmorplatte, ihr Mann, ein Tischler, hatte ihn gebaut. Die Zwei-Zimmer-Wohnung kostet 2.300 Euro warm im Monat, mit Nutzung des Wellnessbereichs mit Sauna, Pool, Fitnessgeräten und Sportangeboten. Essen im hauseigenen Restaurant ist nicht inkludiert. Ein externer ambulanter Pflegedienst kooperiert mit dem Haus.
Wer zehn Jahre hier lebt, muss mehr als 250.000 Euro an Wohnkosten bezahlen und ist dafür die letzten zehn Jahre des Lebens gewissermaßen im Dauerurlaub. „Mir kam zugute, dass die Grundstückspreise bei Berlin so gestiegen sind“, so Hummer. Haus und Grund hat sie verkauft, die Kinder ausgezahlt. Mit der eigenen Rente, der Witwenrente ihres Mannes und ihrem Anteil aus dem Hausverkauf seien die Kosten „zu stemmen“, bis zum 90.Geburtstag, sagt sie und lacht.
Nicht zuviel über Krankheiten reden
Eine sehr lange Lebensdauer kann zum Problem werden, wenn knapp gerechnet wurde, zumal dann meist noch Eigenanteile für die Pflege dazukommen. Kröll vom Patientenschutzbund Biva kennt Fälle, wo das Vermögen nach mehrjährigem Aufenthalt in einer Residenz aufgebraucht war, „die Leute mussten dann ausziehen“, sagt er. Der Biva rät den Interessent:innen, vorsichtshalber mit einer langen Lebensdauer zu kalkulieren.
Hummer fährt gern mit dem Rad durch die Natur in der Umgebung. Ein Armband mit blauem Notruf-Knopf hat sie immer um, „das gibt mir Sicherheit“, sagt sie. Auch bei Ausflügen könnte sie sich so im Notfall per Knopfdruck in der Residenz melden. Sie hofft, dass sich das Haus weiter füllt. Ihr Rat für den Umgang mit Mitbewohner:innen: „Man sollte nicht zuviel über Krankheiten reden“.
Niemand will in diesem Ambiente an Verfall, an Demenz und Tod denken, aber natürlich geht es auch hier ums alt werden, ums sehr alt werden in dem barrierefreien Haus mit den extrabreiten Fluren, stufen- und schwellenlosen Bereichen, bodengleichen Duschen und Rampen, wo man mit Rollator und Rollstuhl überall hinkommt. Die Idee des hotelähnlichen Wohnens im Alter, mit dem Luxus wie im Urlaub „beißt sich meinem Eindruck nach etwas mit der Realität der Pflegebedürftigkeit, der Gebrechlichkeit“, sagt Kröll. Natürlich könne es auch in den Residenzen vorkommen, dass hochgebrechliche, demente Senioren isoliert auf den Zimmern sitzen, mit wenig Kontakt zu den anderen Bewohner:innen.
Es gibt bundesweit zu wenig barrierearmen Wohnraum
Derzeit wird in der Luisen-Residenz noch um neue Bewohner:innen geworben. „Wir gehen davon aus, dass die Residenz bis Frühsommer nächsten Jahres voll belegt ist“, sagt Residenzleiterin Nancy Reinke.
Der Markt für das Servicewohnen im Premium-Bereich „ist begrenzt, die Zielgruppe ist klein. Hingegen fehlt es im Mittelfeld etwas an Angeboten“, erklärt Anja Sakwe Nakonji, Geschäftsführerin von Terranus, einer Beratungsfirma für Sozialimmobilien. Nakonji erlebt, dass Investoren zunehmend Interesse am Servicewohnen haben, schließlich sei der Bereich des betreuten Wohnens nicht so reguliert wie die Pflegeheime, so die Beraterin. Beim Betrieb eines Pflegeheimes müssen Vorgaben für die Fachkräfte, die Personalstärke, die Immobilie eingehalten werden, die Pflegekassen und die Kommunen sind an den Finanzierungsverhandlungen beteiligt. All diese Regulierungen gibt es nicht für das Investment in Mietappartements mit Dienstleistung, eben dem Servicewohnen.
Das Caritas-Seniorenzentrum in Berlin-Charlottenburg wurde vor mehr als 40 Jahren mit der staatlichen Förderung für den sozialen Wohnungsbau errichtet, das hat die Mieten von Anfang an in Grenzen gehalten. „Es müsste mehr solcher Häuser geben“, sagt Nawrath, „die Nachfrage steigt“. 2,8 Millionen Haushalte mit Senior:innen benötigen altersgerechte Wohnungen mit breiten Fluren, ohne Schwellen und mit Aufzug, aber nicht mal ein Viertel dieser Haushalte haben Wohnungen, in denen man mit Rollator und Rollstuhl klarkommt, hat das Pestel-Institut in Hannover unlängst festgestellt. Es ist auch der Mangel an altengerechten Immobilien, der die Senior:innen nach barrierearmen Alternativen suchen lässt, wie sie das Servicewohnen bietet.
Die staatlichen Zuschüsse der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) für Wohnungseigentümer:innen, die ihre Wohnung seniorengerecht umbauen wollen, wurden ausgeschöpft und kürzlich eingestellt. Stattdessen gibt es nur noch Kredite für den Umbau mit einer langen Laufzeit von 30 Jahren. „Das ist eine Farce“, rügte Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts, „welcher 70-Jährige bindet sich noch so einen Kredit ans Bein, um sein eigenes Haus oder seine Eigentumswohnung altersgerecht umzubauen?“
Günther fordert KfW-Zuschüsse für den Umbau von selbstgenutztem Wohneigentum und staatliche Förderung für den seniorengerechten Neubau von Mietwohnungen. Ohne eine zusätzliche staatliche Förderung seien neue seniorengerechte Wohnungen für die Älteren nicht finanzierbar, weder für die, die im Eigentum wohnen, noch für die, die zur Miete wohnen. Günther: „Ein Alterswohnprogramm für die Baby-Boomer ist politisch weit und breit nicht in Sicht“. Und nicht jeder kann oder will ein Haus verkaufen, um in eine Residenz zu ziehen.