Barbara Dribbusch

Journalistin & Autorin

Die neue Fifty-fifty-Woche | TAZ 28.4.2021

HOMEOFFICE Nach  Corona könnte das „hybride“ Arbeiten im Büro und zuhause zum Standard werden

Die Tendenz bei Siemens ist klar: Das mobile Arbeiten soll „dauerhaft als Standard“ etabliert werden. „Das Ziel ist, dass alle Beschäftigten im Schnitt stets zwei bis drei Tage pro Woche mobil arbeiten können, wenn es sinnvoll und machbar ist“, sagt eine Sprecherin des Konzerns der taz. Festgeschrieben ist das in der neuen Gesamtbetriebsvereinbarung für den Konzern. Unter dem Titel „MobileWorking im NewNormal“ gibt das Papier die Rahmenbedingungen vor, die für die örtlichen Betriebsvereinbarungen gelten sollen, die in der Zeit nach der Pandemie kommen werden.

„Die Mitarbeiter haben keinen Anspruch auf bestimmte Wochentage im Homeoffice. Man kann die Beschäftigten aber auch nicht zwingen, an bestimmten Tagen ins Homeoffice zu gehen “, sagt Hagen Reimer, Unternehmensbeauftragter für den Siemens-Konzern bei der IG Metall, zur neuen Rahmenvereinbarung. Den Beschäftigten steht weiterhin ein Arbeitsplatz im Betrieb zu, „es gibt aber keinen Anspruch auf ganz bestimmte Tische“, so der Gewerkschafter zur taz.

Grundsätzlich soll die Arbeit im Homeoffice „nicht mehr als die Hälfte der Arbeitszeit des Mitarbeiters“ betragen, heißt es in einer Zusammenfassung der Gesamtbetriebsvereinbarung. „MobilWorking“ dürfe „nicht zu einer tatsächlichen Verlängerung oder Verkürzung der individuellen Arbeitszeit führen“, „Zeiten ohne Erreichbarkeit bleiben bestehen“, heißt es weiter in dem Papier.

Weltweit übt etwa ein Drittel der Siemens-MitarbeiterInnen Tätigkeiten aus, die sich auch im Homeoffice ausführen lassen. Die Vorstellung, dass der Siemens-Konzern mit der Verlagerung der Büro-Arbeitsplätze in die Heimarbeit Büroflächen sparen will, wird dabei von der Unternehmensseite zurückgewiesen. „Es geht nicht darum, Büroflächen zu reduzieren“, betont die Sprecherin.

Nicht jeder hat zuhause viel Platz

So wie bei Siemens könnte das „hybride Arbeiten“, also die tageweise Mischung aus Tätigkeit im Betrieb und zu Hause oder in anderen Working-Spaces, nach der Pandemie zum Standard werden in Unternehmen, in denen die Beschäftigten jetzt schon coronabedingt zu Hause arbeiten. Nur dass sie dann nach Corona nicht mehr jeden Tag im Homeoffice wären, sondern je nach Wunsch nur zwei, drei Tage in der Woche.

Viele Beschäftigte dürften dem Angebot des „hybriden Arbeitens“ offen gegenüberstehen. ForscherInnen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung stellten in einer Umfrage fest, dass etwa die Hälfte derjenigen, die derzeit viel oder ganz im Homeoffice arbeiten, dies auch gerne nach der Coronakrise beibehalten wollen.

Homeoffice bleibt dabei das Privileg einer Minderheit: Gut 60 Prozent der während der Pandemie befragten ArbeitnehmerInnen in der WSI-Studie waren nicht im Homeoffice, weil es ihre Tätigkeit im Handel, in der Pflege, in der Landwirtschaft, der Produktion oder auf dem Bau gar nicht erlaubte. 40 Prozent der Homeoffice-ArbeitnehmerInnen sind AkademikerInnen, ein überproportionaler Anteil also. Wer eine größere Wohnung vielleicht mit Balkon oder Garten hat, ist dabei noch etwas mehr daran interessiert, im Homeoffice weiterzuarbeiten, als Menschen in Ein- bis Zweizimmerwohnungen, ergab die WSI-Studie.

Bei Beschäftigten mit Kindern stellte sich durch die Umfrage heraus, dass sie einerseits die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch das Homeoffice schätzten, andererseits aber auch mehr als andere unter der „Entgrenzung“ von Arbeitszeit und Freizeit litten. 41 Prozent dieser Doppelbelasteten empfanden die Arbeit von zu Hause als anstrengender als im Büro.

Mehr Eigenverantwortung gefragt

Wie könnten die Arbeitsbedingungen für das Post-Corona-Homeoffice aussehen? Arbeitszeit und Erreichbarkeit sind ein großes Thema in bisherigen Betriebsvereinbarungen zur mobilen Arbeit, stellten die ForscherInnen fest. „In den meisten Vereinbarungen wird die Erreichbarkeit nach der geleisteten Arbeitszeit pauschal ausgeschlossen“, heißt es im WSI-Report. Einige Vereinbarungen sehen Differenzierungen vor: Eltern werde bei der Arbeitszeit teilweise „in der Regulierung eine größere Flexibilität eingeräumt“, stellten die ForscherInnen fest.

Klare Leistungsvorgaben seien wichtig für die Beschäftigten im Homeoffice, so der WSI-Report. Die Eigenverantwortung der MitarbeiterInnen steigt bei der Arbeit zu Hause. In einer Betriebsvereinbarung im öffentlichen Dienst wird den MitarbeiterInnen eine Schulung zugesichert, in der sie „Kompetenzen wie Selbst- und Zeitmanagement“ für das Homeoffice erwerben könnten, so der Report.

Homeoffice müsse aber immer freiwillig sein, stellten die ForscherInnen fest: „Um von den Vorteilen des Homeoffice wie die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder kürzere Pendelzeiten zu profitieren und zeitgleich die Nachteile wie soziale Isolation zu minimieren, sollten beide Arbeitsstätten (Homeoffice und Betrieb) kombiniert werden.“

Die Frage ist, ob sich die Unternehmen, die derzeit im Corona-Krisenmodus Home­office anbieten, nach der Pandemie darauf einlassen, dass ein Teil der Beschäftigen auch weiter im Büro und ein anderer Teil von zu Hause aus arbeitet, vielleicht tageweise immer neu gemischt. Einen Rechtsanspruch auf Homeoffice jedenfalls gibt es nicht.