Barbara Dribbusch

Journalistin & Autorin

Später

Am Frühstückstisch mit Steinbrück | TAZ 14.1.2013

Wenn Männer in die Wechseljahre kommen, brauchen Frauen ein paar Theorien und ein grosses Herz.

Das mit den Wechseljahren und was so alles an Körper und Seele passiert, wenn man die 50 überschritten hat, ist ja ziemlich ungeklärt. Vor allem der Mann ist unerforschtes Gebiet. Man ist auf selbst gemachte Theorien angewiesen.

„Das konservative Denken“, sagt Theresa, „das nimmt zu bei Thomas, seitdem er die 50 überschritten hat. Merke ich am Frühstückstisch. Der ist nicht mehr so links wie früher. Neulich behauptete er doch tatsächlich, Hartz IV halte die Leute davon ab, sich einen Job zu suchen. Das war schon eine Premiere.“

Theresa, Bine und ich stapfen durch den graufeuchten Grunewald. Die Regenschirme sind aufgespannt. Das Wetter ist mies, sich mal durchlüften zu lassen tut gut. Erst recht, wenn wir über Männer reden. Über ältere Männer.

„Also dass Männer konservativer werden im Alter, kann ich nicht bestätigen“, seufzt Bine, „Pit macht neuerdings den Linksradikalen. Für ihn sind Politiker alles Pfeifen, stecken unter einer Decke mit den Konzernen, und die Hartz-Empfänger werden von den Behörden schikaniert. Alles wird immer schlimmer. Leider weiß ich inzwischen immer schon im Voraus, was er mir erzählen wird.“

Bine hat sich bei mir bereits früher beklagt, dass ihr alter Kumpel Pit einen Hang zum Monolog entwickle. „Es ist wie bei einem betagten Funkgerät, das immer mehr auf Sendung umstellt und kaum noch auf Empfang“, hatte sie berichtet.

„Es hängt vielleicht doch vieles an der Ökonomie“, gibt Theresa zu bedenken. „Männer passen ihre politische Einstellung im Alter an die eigene Biografie an. Wer viel Geld verdiente, wird rechter. Wer wenig Geld machte, wird linker.“ Das fand ich schon immer faszinierend an Theresa, dieses Talent zur Verkürzung. Die IT-Beratung von Theresas Mann Thomas läuft blendend. Bines Freund Pit hingegen hat mit seinem Antiquitätenhandel Schiffbruch erlitten.

„Aber es geht doch nicht nur ums Geld“, sage ich, „vielleicht ist es eine psychologisch bedingte Adaption. Im Alter, wenn die Kraft nachlässt, wächst beim Mann der Wunsch, die Dinge zu vereinfachen, um sich selbst das Gefühl zu geben, dass er den Überblick behält, dass er noch Chef ist in der eigenen Welt.“ Ist immerhin eine Theorie.

„Wobei die Feindbilder auch schräger werden im Alter“, seufzt Theresa, „Thomas hasst neuerdings ältere Betriebsrätinnen auf dem Weg zu irgendwelchen Schulungen, wenn sie morgens im ICE im Ruhewaggon stundenlang lärmen und gemeinsam Spaß haben, während er zum Kunden fährt und absolute Ruhe braucht.“ Ich verkneife mir, jetzt irgendwas zum schwierigen Verhältnis des alten Mannes zu lustigen gleichaltrigen Frauen zu sagen. Ein heikles Feld.

„Andere Feindbilder sind auch nicht besser“, gebe ich zu bedenken, „stell‘ dir vor, dein Mann lästert am Frühstückstisch Stunden über Peer Steinbrück. Dann hat man sich echt nichts mehr zu sagen in der Ehe.“ So was kommt bei Christoph und mir zum Glück nicht vor.

Im Grunewald ist außer uns keiner unterwegs. Der Regen hat aufgehört. Wir haben die Schirme eingeklappt. Ein paar Sonnenstrahlen kommen durch die Wolken. „War eine gute Idee, loszuziehen, trotz des Wetters“, sagt Theresa. „Es lohnt sich, durchzuhalten“, meint Bine. Schon.